Ohne Milben und Flöhe durchs Zuchtjahr

An einem heißen Sommertag kommt man abends nach getaner Arbeit in den Stall, bückt sich zu den Legenestern um die Eier einzusammeln und schon geht es los. Ein Kribbeln am rechten Arm, dann am Linken. Ein komisches Gefühl am Rücken und jetzt dieses Jucken am ganzen Kopf! Wer kennt sie nicht? Die Vogelmilbe! Ob Rote oder Nordische Vogelmilbe, es sind Parasiten, die den Hühnern das Blut aus den Adern saugen und uns gewaltig nerven können.  Die Zuchttiere sind gestresst, meiden den Stall und legen kaum noch Eier. Küken und Jungtiere können selbst bei schwachem Befall schnell verenden.

Die Nordische Vogelmilbe findet man an den Tieren meist unter den Flügeln oder am After. Die Rote befällt  das Geflügel nur nachts. Sie verstecken sich unter Sitzstangen, in Ecken und Ritzen der Ställe und lauern dort auf ihre Opfer. Millionenfach können sie sich vermehren – in kurzer Zeit. Oft sind sie im Hochsommer zu finden, mitunter aber auch in kühleren Jahreszeiten.

Einige Züchter setzen scharfe Pestizide und Desinfektionsmittel ein um der Plage Herr zu werden. Bei unsachgemäßer Anwendung kann dies zu einer Schädigung der Tiere und der Beeinträchtigung der eigenen Gesundheit führen. Oftmals werden die Schädlinge resistent gegen fast alle chemischen Bekämpfungsmittel. Zudem sind Pestizide sehr teuer.

Aber es geht auch anders. Vor einigen Jahren bin ich nach einer Vogelmilbenplage und dem Verlust zweier Zwerg-Italiener-Zuchthennen auf ein Mittel ohne chemische Zusätze gestoßen: Kieselgur.
Was ist Kieselgur?

Kieselgur ist ein natürliches Produkt aus 100% fossiler Kieselalgen. Es besteht hauptsächlich aus den Siliciumdioxidschalen dieser Kieselalgen, sogenannten Diatomeen. Kieselgur enthält einen hohen Anteil an Kieselsäure.

In Wikipedia wurde hierzu veröffentlicht: „Aus geologischer Sicht ist Kieselgur ein aus fossilem Diatomeenschlamm entstandenes Sedimentgestein, sehr fein geschichtet wird es als ‚Tripel‘ bezeichnet. Aufgrund seiner Materialeigenschaften, leicht und hochporös, ist Kieselgur ein geschätzter Rohstoff und wird industriell genutzt.“

Kieselgur wird abgebaut, entschlämmt, getrocknet, gebrannt, gemahlen und in der gewünschten Körnung vertrieben.

Verwendet wird es als Filter für Lebensmittel (Getränke), Füllstoff  in Papier, Tabletten, Pudern, Dämmstoffen, u.v.m.

Kieselgur kann an Tiere, insbesondere an Pferde, verfüttert werden. Der Binde- und Stütz-Gewebsstoffwechsel wird gelenknah angeregt. Dadurch können Defekte in der Knorpeloberfläche schneller regeneriert werden.


Wirkungsweise


Wie kann Kieselgur bei der Bekämpfung der Insekten und Milben eingesetzt werden? Die kleinen Schalenbruchstücke der Kieselalgen setzen sich auf die Gelenke der Milben und beschädigen die Wachsschicht der Panzer. Nur bei natürlicher Kieselgur sind die Oberflächen so grob, dass die Chitinschicht der Milben aufgeritzt und Körperflüssigkeit austreten kann. Durch die Einschränkung der Bewegungsfähigkeit wird auch die Fortpflanzung unterbunden. Milben, die sich erfolgreich Stunden, Tage oder Wochen in Ritzen versteckt halten, erleiden  nach Betreten der Kieselgur das gleiche Schicksal. Bei anderen Insekten werden die Schleimhäute angegriffen und versagen. Milben, Flöhe, Federlinge und Läuse trocknen aus. Diese biologisch-physikalische Wirkungsweise lässt keine Resistenzbildungen zu.

Kieselgur „funktioniert“ einfach, ist chemisch unbedenklich und ohne Nebenwirkungen für Mensch, Zuchttier, Fleisch und Ei.


Eigenschaften

Wichtig ist die richtige Größe der Kieselgur. Optimal scheint eine Körnung zwischen 2 und 20 Mikrometer zu sein. Sozusagen angepasst an die Gelenke der 0,8 mm großen Milben. Größere Körner, wie sie zur Filtration und dem Beifutter für Pferde benutzt werden, taugen lediglich zum Töten der Milben durch Steinigung. Wie bereits beschrieben müssen die Schalenbruchstücke amorph (naturbelassen) sein. Bei Kieselgur für Filter und andere Herstellungszwecke wurden die Oberflächen geglättet und ist somit wirkungslos. Kaufen sie Kieselgur nur beim Fachhandel oder Hersteller und lassen sie sich die Wirksamkeit in Form eines Datenblattes bescheinigen.

Laut Aussage eines Herstellers testet das Insitut für Geflügelkrankheiten der Freien Universität Berlin z.Z. verschiedene Kieselgure in Geflügelställen. Auf die Ergebnisse können wir gespannt sein!


Anwendung

Kieselgur muss trocken gelagert werden. Es wird mittels Bestäuberflasche auf Kotbrettern, Sitzstangen, in Ecken und Ritzen, Legenestern sowie auf dem Stallboden verteilt. Eine kleine Menge Kieselgur im Sandbad bewirkt die Aufnahme im Federkleid. Je nach Befall und Jahreszeit kann mit der Menge variiert werden. Wichtig ist, dass Stall und Einrichtungen trocken sind, da sonst die Kieselgur verklebt und somit seine Wirkung verfehlt. Ein Nachteil ist das erhöhte Staubaufkommen im ganzen Stall.

Kieselgurpräparate in flüssiger Form oder wasserlöslich sind ebenfalls im Handel erhältlich. Die zusätzlich eingebrachte Feuchtigkeit ist durch gute Lüftung schnell zu beseitigen, da ein feuchtes Raumklima zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Tiere führen kann. In Behausungen und Einrichtungen, die Feuchtigkeit lange speichern, sollte nur die trockene Variante der Kieselgur eingesetzt werden.

Beachten sie, dass Kieselgur nicht die notwendige Stallhygiene ersetzt. Kotbretter und Einstreu müssen weiterhin regelmäßig gesäubert werden.

Auch wenn amorphe Kieselgur für Mensch und Geflügel unschädlich ist, sollte es beim Ausstäuben nicht direkt eingeatmet werden. Bezüglich der Austrocknung von Schleimhäuten muss der Kontakt mit den Augen vermieden werden. Am besten verwenden sie einen Atmungsschutz zur Schonung ihrer Lunge und eine Schutzbrille. Allerdings sind die Gefahren durch das Ausbringen herkömmlicher Pestizide als wesentlich höher einzustufen.

Wirtschaftlichkeit

Vertriebspreise bei Herstellern liegen zwischen 3,- und 55,- Euro pro kg, je nach Abnahmemenge. Bei einer Bestellung von 10 kg kann man hochwertige Produkte schon für unter 40,- Euro, inkl. Versand bekommen. Ein Preisvergleich lohnt sich.
Für eine Stallfläche von 20 m² benötige ich ca. 5 kg Kieselgur pro Jahr. Da ich keine weiteren Pestizide einsetze, investiere ich also 20,- Euro pro Jahr in Insektenbekämpfung und Prophylaxe.


Fazit

Sollte ich mit diesem Artikel bei ihnen Unbehagen und Juckreize ausgelöst haben, ist dies ein sicherer Garant dafür, dass auch sie schon unliebsame Bekanntschaften mit Vogelmilben geschlossen haben. Mit Kieselgur können sie kostengünstig, dauerhaft und chemisch unbedenklich Federlinge, Flöhe, Milben, insbesondere die heimtückischen Vogelmilbenarten bekämpfen.

Jörg Christ

Dieser Artikel ist in der Geflügelzeitung 2011 mit Bildern erschienen.

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